Neoprengeflüster
Der defekte Neoprenanzug - Gewährleistungsansprüche!
„Ich will jetzt nicht schon wieder 3 Wochen warten, bis ich einen reparierten Neoprenanzug von Euch wiederbekomme, der dann auch wieder nur eine Woche hält. Entweder ich bekomme jetzt sofort einen neuen Neoprenanzug, oder ich will mein Geld zurückhaben!“ Der Verkäufer steht hinter dem Tresen und ist sichtlich genervt und verunsichert. Was kann er dafür, dass der reparierte Neoprenanzug wieder kaputt ist… aber Geld zurück, nur, weil ein paar Verklebungen sich gelöst haben? „Wir müssen den Neoprenanzug erst zum Hersteller schicken – der muss das prüfen und dann bekommen wir eine Rückmeldung – ich kann das jetzt nicht entscheiden, denn es kann sein, dass der Lieferant das ablehnt und dann bleibe ich auf den Kosten sitzen!“
„Das ist mir ehrlich gesagt total egal – ich brauche den Neoprenanzug jetzt und ich will nicht zum zweiten Mal in Folge für mehrere Wochen ohne Anzug dastehen! Ich bleibe jetzt hier so lange stehen, bis es eine Lösung gibt“ Der Kunde bleibt tatsächlich vor dem Tresen stehen… der Verkäufer rennt verzweifelt zu seinem Chef und lässt sich über die Rechtslage aufklären.
Mit einer guten und gütlichen Einigung, dieses Mal das Verfahren zu beschleunigen und sich für einen Austausch einzusetzen, verschwindet der Kunde. Zurück bleibt ein Neoprenanzug, bei dem sich zum zweiten Mal Verklebungen gelöst haben.
Wie ist nun aber die rechtliche Situation tatsächlich? Zuerst muss darauf hingewiesen werden, dass das im Volksmund verwendete Wort der Garantie hier eigentlich der falsche Begriff ist. Tritt eine Beschädigung an einem Neoprenanzug auf, so ist es in der Regel ein Fall für den Gewährleistungsanspruch. Der Gewährleistungsanspruch leitet sich direkt aus dem Gesetz ab. Die Gewährleistung bedeutet, dass der Verkäufer dafür einsteht, dass die verkaufte Sache frei von Sachmängeln ist. Die Gewährleistungsfrist beträgt nach § 438 BGB 24 Monate und kann bei Gebrauchtwaren per AGB oder Vereinbarung zwischen beiden Parteien auf 12 Monate verkürzt werden. Bemerkt der Kunde später als 6 Monate nach dem Kauf den Mangel, so ändert sich die Beweislast, d.h. nun muss er beweisen, dass der Gegenstand schon bei der Übergabe einen Mangel aufwies. Bei Mangelhaftigkeit der Sache stehen dem Käufer die gesetzlichen Rechte zu, nämlich dem Anspruch auf Nacherfüllung, dem Rücktrittsrecht, der Minderung, oder sogar dem Anspruch auf Schadensersatz. Die Nacherfüllung ist dabei das vorrangige Recht und bedeutet, dass das Produkt repariert wird. Dies ist auch im Falle des oben dargestellten Vorfalls der Fall gewesen.
Nun hat es aber bereits eine Beseitigung des Mangels gegeben, da der Neoprenanzug bereits zur Reparatur eingeschickt worden ist und der Mangel tritt erneut auf. Wie ist jetzt die Situation? Laut Gesetz wird das in dem § 440 BGB geregelt. „Eine Nachbesserung gilt nach dem erfolglosen zweiten Versuch als fehlgeschlagen, wenn sich nicht insbesondere aus der Art der Sache oder des Mangels oder den sonstigen Umständen etwas anderes ergibt.“ (Quelle BGB §440).
Damit ist eigentlich aber nicht gesagt, dass der Käufer einer zweiten Nachbesserung zustimmen muss. Insbesondere dann nicht, wenn der Käufer dem Verkäufer eine angemessene Frist gesetzt hat, in der der Mangel zu beseitigen ist. Ist keine Frist gesetzt worden, so gilt in der Regel, dass der Verkäufer ein zweites Mal nachbessern darf, wenn nicht, wie im § 440 geschrieben: „..wenn die dem Käufer zustehende Art der Nacherfüllung fehlgeschlagen oder ihm unzumutbar ist.“
In der Praxis wird das auch eigentlich genau so gehandhabt. Zumindest in der „theoretischen Praxis“! Häufig sieht es aber so aus, dass man in seinem Surf- oder Kiteshop durchaus einen guten Draht zum Verkäufer hat. Diese setzten sich dann dafür ein, dass defekte Ware möglichst schnell ausgetauscht wird.
Das Problem liegt dabei aber bei den Herstellern, Lieferanten und Importeuren. Diese lange Kette von Zulieferern bis hin zum Produzenten machen den Prozess extrem langwierig, weil kaum Entscheider schon an der ersten Instanz sitzen. In dem konkreten Fall schickt nun der Shop den defekten Anzug zum Lieferanten, der nicht der Hersteller ist, sondern nur Importeur. Nach etlichen Mails mit Bildern und Schadensbeschreibungen entscheidet der Hersteller, dass der Anzug repariert werden solle. Der Lieferant fordert nun den defekten Neoprenanzug wieder vom Shop an. Nachdem der Neoprenanzug auf dem Versandweg zum Lieferanten gekommen ist, wird dieser weiter zu einem Neoprenreparateur geschickt. Da es davon in Deutschland nur wenige gibt, ist die Bearbeitung dort auch nicht innerhalb weniger Stunden, sondern eher innerhalb einer Woche erledigt. Dann geht das ganze wieder den Weg zurück. Bis der Kunde also seinen reparierten Neoprenanzug wieder aus dem Shop abholen kann, sind gerne mal 14 bis 21 Tage vergangen. Die Gründe dafür liegen insbesondere darin, weil die Haftungs- und Entschädigungsfragen auf Seiten der Importeure mit den Produzenten nicht so schnell geklärt werden können. Die meisten Neoprenanzüge werden in China hergestellt, so dass der Kontakt letztendlich auch immer über China stattfinden muss. Hier muss also dann auch immer ein Produktionsfehler anerkannt und zugegeben werden – und das ist nicht immer leicht.
Was sind nun aber die meisten Beschädigungen, die an den Neoprenanzügen auftreten und die dann auch zu einem Gewährleistungsanspruch führen:
Das Glatthautneopren schnell mal durch spitze Gegenstände reißt ist in den aller meisten Fällen kein Grund und wird meist schon am Tresen als Eigenverschulden abgewimmelt. Das Glatthautneopren ist einfach viel empfindlicher, also das doppelt kaschierte Neopren, bei dem ein dünnes Jersey Material auf das Neopren laminiert wird. Dadurch ist die Oberfläche deutlich robuster.
In der Regel sind Materialfehler, die produktionsbedingt auftreten bei diesen Materialien eher selten. Interessanter wird es allerdings, wenn man sich die
verschiedenen Nähte mal genauer anschaut, denn es sind meistens die Verbindungen zwischen zwei Neoprenstücken, die sich lösen, wo eine Naht aufgeht, oder sich die verklebten Nahtstellen lösen.
Die einfachste Verbindung zweier Neoprenstücke ist die FlatLock Naht. Dort Dort wird ohne Kleber gearbeitet – die beiden Stücke werden mit einem bestimmten Nahtverfahren übereinander fest vernäht.
Das sogenannte GBS (Glued Blind Stiched) – also verklebt und mit nicht sichtbaren Nähten vernähte – Verfahren, ist das Gängigste. Dabei werden die Ränder mit Kleber benetzt und unter Druck zusammengepresst. Hier gilt übrigens genauso, als wenn man selbst mal eine Stelle mit Neoprenkleber klebt: Weniger ist Mehr! Die beiden Seiten müssen nur dünn bestrichen werden – dann muss man warten, bis der Kleber das Material leicht angelöst hat und dann mit Druck zusammenpressen.
Beim GBS Verfahren wird im Anschluss der Stoßbereich von innen so vernäht, dass die Nadel nicht durch das Neopren stößt. Hier ist auch schon das erste Problem. Diese Arbeitsschritte werden nach wie vor per Handarbeit gemacht. Kommt auch nur irgendwie ein wenig Fett auf die zu beklebenden Stellen, so wird der Kleber nicht richtig halten uns sich unter Belastung lösen. Das ist einer der Hauptgründe für Gewährleistungsansprüche.
Es gibt dann noch ein weiteres und aufwändigeres Verfahren, wobei die Naht innen, noch einmal zusätzlich mit einem Tape versehen wird. Hier liegt der Vorteil darin, dass die Naht nicht so schnell beschädigt werden kann und das zudem auch an der Naht keinerlei Wärmeverlust entstehen kann. Aber auch dieses innenliegende Tape ist geklebt und alles was geklebt ist… kann sich lösen. Nach etlichen Jahren wird sich bei jedem Neoprenanzug das Tape an manchen Stellen einfach lösen! Hersteller und Produzenten setzen aber alles daran, dass das erst nach Ablauf der Gewährleistungsansprüche passiert…
Im Highend- Bereich verwendet ION zum Beispiel noch das sogenannte Ultra-Slim Seaming Technologie. Dabei wird auf der Außenseite zusätzlich ein „flüssig Neoprenstreifen“ aufgetragen.
Eine Kolumne von Kai Geffken