Das Corona Jahr und seine Auswirkungen auf die schwarze Pelle
(Kolumne von Kai Geffken)
Während die Welt sichtlich aus den Fugen gerät und die wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen des nun seit gut über einem Jahr, weltweit grassierenden Corona Virus immer stärker zu spüren sind, beginnt für uns Wassersportler so langsam aber sicher, die neue Saison.
Spätestens jetzt beginnen die meisten, die nicht zum harten Kern derjenigen gehörten, denen auch die eisigen Temperaturen nichts anzuhaben vermochten, ihr Equipment wieder zusammen zu suchen.
Beim Überprüfen des Kitestuffs werden dann nicht nur die Leinen geprüft und noch mal die abgeschrappten Finnen angeschaut, sondern es kommt auch wieder die Erinnerung, dass man sich doch bereits im Herbst des letzten Jahres vorgenommen hatte, das eine oder andere Teil der geliebten Ausrüstung zu erneuern.
Ein neuer Neoprenanzug sollte schon lange her, auch die Haube und die Handschuhe sind schon mindestens 3 Jahre alt, wahrscheinlich aber eher 5-7 Jahre. Beim Überlegen, was nun am wichtigsten ist, stellt sich natürlich auch die Frage nach dem Budget und was am meisten Priorität hat. Schnell wird klar, eigentlich möchte man fast alles erneuern, aber das ist ausgeschlossen, denn der Blick auf die Kosten der einzelnen Teile ist für die aktuelle Saison noch einmal kräftig in die Höhe geschossen. Mondpreise denkt man, denn auch in den letzten Jahren hat man schließlich das Equipment mit satten Rabatten einkaufen können. Warum sollte es also dieses Jahr anders sein.
Ich muss enttäuschen, denn vermutlich wird sich zum ersten Mal diese Vermutung nicht bewahrheiten. Es wird teurer und einiges wird sich verändern.
Was ist passiert? Während Anfang Januar 2020 kurzerhand in China die Produktionsstätten still standen, folgte nur wenige Monate später der Lockdown in Deutschland und führte dazu, dass der Einzelhandel seine Ordern stornierte oder diese aus Sorge einfach reduzierte. Die Lieferanten wiederrum reduzierten ihre Ordern in Fernost, wenn diese nicht ohnehin durch den dortigen Lockdown eh schon ausgebremst worden waren. So kam es bereits im Sommer 2020 zu erheblichen Lieferengpässen, weil die Produktion mit den langen Lieferwegen nicht mehr auf die rasche und deutlich stärkere Nachfrage reagieren konnte.
Zeitglich kam bei einigen Herstellern dann auch die Idee auf, dass der für unsere Branche so übliche Produktionswechsel mitten in der Saison, nicht mehr nachhaltig und strategisch sei. Was mancher als „wurde auch mal Zeit“ Idee verstand, hatte in erster Linie wirtschaftliche Interessen. Die Produktion aller Artikel war erheblich in Rückstand geraten und ein Aufholen war nicht mehr möglich. Ein kurzer Produktionsstillstand in Kombination mit der Stornierung der Ordern, führte dazu, dass die gesamten Lieferketten nahezu zum Erliegen kamen. So war es unmöglich, die aktuell benötigte Ware zu produzieren, gleichzeitig die „Auslaufproduktion“ hochzufahren und bereits die 2021er Warenproduktion mit allen Änderungen in Schnitten, Farben und Garnen und anderen Materialien zu garantieren. Kurzerhand wurde daher der Produktionswechsel nach hinten verschoben. Das betraf nicht nur Kites, Kiteboards und Neoprenanzüge, sondern sollte sich durch den gesamten Wassersportsektor ziehen.
Die Auswirkungen auf den Kite- und insbesondere auch den Neoprenmarkt sollten sich jedoch für den Konsumenten als noch viel größer herauskristallisieren.
Während der Einzelhandel durch den Lockdown vom Dezember bis März extrem unter wirtschaftlichen Druck geriet, hatte die Importeure und Lieferanten bereits ein völlig anderes Problem. Zum ersten Mal sollte nun die Marktknappheit in den sonst so von Angeboten und Rabatten übersäten Wassersportsektor Einzug erhalten. Kaum vorstellbar, dass das Überangebot und die satten Rabatte auf Vorjahresmodelle nun verschwinden sollte. Aber dieses Phänomen konnte schon im Sommer 2020 beobachtet werden und scheint sich auch für die Saison 2021 zu bewahrheiten. Schon jetzt gibt es bei den Lieferanten größerer Vorordern und es steht noch nicht fest, ob die Ware auch produziert werden kann und ein weiteres gigantisches Problem rollt bereits auf die Branche zu.
Aufgrund der weltweiten logistischen Veränderungen der Importe und Exporte hat sich auch ein ganz banales zusätzliches Problem entwickelt. Die Knappheit an Seecontainern in Fernost und die Veränderungen der weltweiten Schifffahrtswege führen dazu, dass sie die Ware in den Produktionsstätten anstauen und sich nur mit erheblichem Lieferverzug auf die raren Containerschiffe verfrachten lässt. Angebot und Nachfrage bestimmen auch hier den Preis und sorgen dafür, dass sich der Containerpreis kurzfristig verfünffachte. Statt 1600 USD sind schnell rund 8000 USD, für einen 20‘‘ Container zu bezahlen. Diese Mehrkosten und die hohe Nachfrage führten tatsächlich das erste Mal zu einer Marktknappheit.
Die Nachfrage nach Wassersportprodukten insbesondere nach Neoprenanzügen hat einen zusätzlichen Corona bedingten Grund, denn nicht nur wir als Kiter haben einen Bedarf an der schwarzen Pelle, sondern nun auch unglaublich viele andere Freizeitsportler und Sportlerinnen, die den Wassersport und die damit verbundene Freiheit für sich entdeckt haben. Die Folge ist eine erhebliche höhere Nachfrage an Neoprenanzügen, die die Produktionsstätten zu niemals vorher vorhandenen Auslastungen bringt.
Um aus erster Hand zu erfahren, wie sich die Maren ION und XCEL auf die Auswirkungen vorbereiten und was das für die Konsumenten bedeutet habe ich Philip Horn und Jürgen May interviewet.
„Philip Horn, als Importeur der Marke XCEL, wie wirkt sich die Lage auf die Marke XCEL aus?“
„Unser Lager war im Winter viel schneller ausverkauft, bzw. bestimmte Artikel, wie Hooded- Anzüge, 5mm Anzüge, dicke Schuhe und Handschuhe hatten eine hohe Nachfrage. Der Bestand der normalerweise von August bis Februar reicht, war im November schon ausverkauft. Einige Marken hatten, auch die Bestände für den Winter reduziert, sodass es zu einer zusätzlichen Verknappung der Ware kam und die Nachfrage aufgrund der geänderten Reisebestimmungen nach Winter Neoprenartikeln deutlich gestiegen ist.“
„Wird es aufgrund der aktuellen Entwicklungen Preiserhöhungen geben?“
„Ich rechne fest mit einer Preiserhöhung bei den meisten Firmen, da die Warenbezugskosten und die Produktionskosten sich in den letzten Wochen und Monaten deutlich veränderten haben. Ein Beispiel sind z.B. die Containerkosten aus China vor Chinese New Year. Die haben sich knapp verdreifacht und die Raten gelten statt für 1-3 Monate nur noch Wochenweise. Das bedeutet, dass die Situation aktuell nicht genau kalkulierbar ist, und sie muss je nach Warengruppe und Produktionsland separat betrachtet werden. Es hilft natürlich, dass der Euro im Vergleich zu dem Dollar an Kraft gewonnen hat, gleichzeitig steigen aber die Preise in der Produktion auch um 3-4% weiter an. So müssen wir auch teilweise auf andere Produktionsstätten ausweichen, was sich auch negativ auf Beschaffungskosten auswirkt. Um es kurz zu machen: die Gegebenheiten ändern sich wöchentlich und erst wenn die Ware im Lager ist, kann man alle Kosten final bewerten. Im ersten Schritt wird sich der Verkaufspreis nicht verändern, aber wir werden die Preise für die kommende Kollektion erhöhen müssen“.
„Welche kurz- mittel und langfristigen Auswirkungen hat die Pandemie auf die Marke XCEL“?
„Wir haben in 2020 und 2021 ein großes Wachstum verzeichnen können, sodass ich nur sagen kann, dass es für die Marke XCEL sehr positive Auswirkungen hatte. Das Thema Wassersport und Freizeit im Allgemeinen ist voll im Trend und wird sicher auch in 2021 eine hohe Nachfrage haben. Zusätzlich ist XCEL mit seinen eigenen Produktionsstätten bei einem der größten Produzenten sehr gut aufgestellt und die Company hat sich auch schon entsprechend Rohmaterial gesichert und die Vorlaufzeiten bis Ende des Jahres geplant, so dass wir in der Lage sind unsere Bestände der Nachfrage anzupassen“.
„Wird es denn Lieferengpässe deiner Meinung nach geben und wie kommen diese jetzt noch zu Stande“?
„Viele Marken und Importeure haben in der ersten Corona Welle die Ordern reduziert und als die Nachfrage regelrecht explodiert ist, konnte keiner mehr nachjustieren. Die Vorlaufzeiten für Produkte liegen bei mindestens 4 Monaten plus Verschiffung und aktuell bei einigen Produktgruppen schon bei 7-8 Monaten. D.h. wir wissen jetzt schon, was wir alles bis zum Herbst bekommen und man kann bei einer erhöhten Nachfrage nicht neu oder nicht mehr kurzfristig bestellen. Es ist jetzt schon klar, dass einige Produktgruppen im Sommer knapp sein werden. Zudem sind die Produktionsstätten übervoll und stehen auch immer wieder vor einem Lockdown, wenn Corona wieder in Asien auftauchen sollte. Das kann die Produktion dann schnell um 4 Wochen verschieben“.
„Was wird die langfristige Strategie sein – werden sich Produktzyklen ändern“?
„Die Produktionszyklen haben sich aktuell bei den meisten Marken geändert. Statt Herbst kommen die meisten neuen Modelle im Januar raus und ich habe das Gefühl, die Marken haben den immer kürzeren Zyklus jetzt bewusst verlängert – das ist bei XCEL nicht anders. Auch Auslauf und Überhänge sind durch die erhöhte Nachfrage deutlich geringer und das heißt, keiner kann mehr einfach auf mögliche volle Läger zugreifen. So wird sicher derjenige gut durch das Jahr 2021 kommen, der verlässliche Partner hat, mit ausreichendem Lager und guten Lieferketten. Insgesamt gilt sicher auch wieder, dass jeder froh ist, wenn er die Ware bekommt, die er gerne haben will von der Marke bis zum Endkunden- hier sind sicher alle betroffen und sitzen im gleichen Boot“.
Jürgen May, Linemanager bei ION Water stand mir ebenfalls für ein Interview zur Verfügung und berichtete ebenfalls von interessanten Veränderungen.
„Jürgen, wie hat euch die Pandemie im März 2020 erwischt und welche Auswirkungen hatte das auf die Marke ION“?
„Jürgen, wie habt ihr das Jahr 2020 dann für euch retten können?
„Wir hatten natürlich auch das Problem, dass Sheiko die Kapazitäten nach dem internationalen Run auf die Wasserspotprodukte nicht mehr hatte. Die Leadtime war nun deutlich länger und was wir noch nie vorher erlebt hatten, dass Sheiko sogar gerne Ordern storniert hätte, weil sie einfach nicht mehr gegen ankamen. Wir hatten glücklicherweise einen Großteil wirklich früh produzieren lassen, so dass wir die zuerst aufkommende Nachfrage bedienen konnten. Zuerst waren wir dennoch auch mit einem erheblichen Umsatzeinbruch konfrontiert, konnten jedoch das Geschäftsjahr 2020 mit einem wirklich guten Ergebnis beenden. Wir sind uns sicher, dass es auch ein Rekordjahr gewesen wäre, wenn wir im November und Dezember noch ausreichend dicke und insbesondere Hooded-Anzüge gehabt hätten. Insgesamt aber hatten wir ein erfolgreiches Jahr und die Krise hat auch dazu geführt, dass wir uns nachhaltiger entwickeln konnten. Es hat sich viel verändert und die negativen Auswirkungen versuchen wir für die Marke ION so gut es geht abzupuffern und uns langfristig besser aufzustellen.“
„Was wird das alles für Auswirkungen auf die aktuelle Saison haben?“
„Derzeit ist das noch gar nicht ganz abzusehen. Solange Sheiko mit der Produktion des weltweit extrem großen Bedarfs an Neopren kaum hinterherkommt, wird es auch für den deutschen Markt Auswirkungen haben. Derzeit ist es zum Beispiel so, dass die Vorlaufzeit für Neoprenschuhe bei 12 Monaten liegt. Wir müssen also bereits heute vorbestellen um in genau einem Jahr Ware zu bekommen. Das fordert eine erheblich bessere Planung. Dadurch dass Sheiko zu den wenigen Produzenten gehört, die in der Lage sind extrem hochwertig zu produzieren und ION dort eine eigene Produktionslinien hat und Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die ausschließlich für ION Neoprenanzüge produzieren, sind wir von denen abhängig. Leider hat die Factory die Preise mitten in der Produktionsphase völlig untypisch die Preise erhöht. Für die Produktion selbst, aber auch die Rohstoffe sind teurer geworden. Wenn man dann jetzt auch noch die erheblich gestiegenen Containerpreise berücksichtig, dann ist klar, dass das alles Auswirkungen auf den Preis haben wird. Es steht fest, dass ein deutlicher Preisanstieg im Neopren mit der kommenden Kollektion kommen wird. Wir haben aber auch versucht das beste aus der Situation zu machen und für die Zukunft das Thema Nachhaltigkeit und Wertstabilität in den Focus gerückt“.
„Das ist ein interessanter Punkt – was bedeutet das denn für den Kunden und was ist euer Plan für die Zukunft?“
„Um den Preisanstieg zu kompensieren wird es Veränderungen in den Produktionslinien geben – das bedeutet im Klartext, dass es mehr Neoprenanzüge geben wird, die im 2 Jahresrhythmus verändert oder erneuert werden. Das garantiert eine Preisstabilität und natürlich die Nachhaltigkeit. Wir werden zudem den Produktwechsel nicht mehr im August/ September vollziehen, sondern im Frühjahr des darauffolgenden Jahres. So wird es natürlich auch kaum oder deutlich weniger Closeout geben.
Es wird sich insofern einiges ändern. Wir gehen derzeit davon aus, dass das Thema des Vororderns, also das Vorbestellen der Händler von Ware, eine wichtigere Rolle spielen wird. Wer vorgeordert hat, kann sicher sein, dass er Neoprenanzüge auch im Shop hängen haben wird, während wir in Zukunft, bei höherer Nachfrage nicht garantieren können, dass Händler stets nachbestellen können.“
Wenn du in die Glaskugel schaust, was siehst du da?
„Das ist natürlich schwer zu sagen. Die Boards & More Gruppe ist gut aufgestellt und berechnet mit vielen Faktoren stets den Bedarf des Marktes. Wir gehen derzeit davon aus, dass 2021 ein starkes Wassersportjahr wird und das das Reisen immer noch stark gehemmt sein wird. So wird das Thema „back to local“ noch länger bestehen bleiben und die Nachfrage nach dicken Neoprenanzügen bestehen bleiben. Wir sind mit der Marke ION gut aufgestellt und hoffen auf den veränderten Markt gut reagiert zu haben. Wir wollen mit allen Maßnahmen der Markenverantwortung gerecht werden und denken wir haben ein gutes Konzept gefunden.“
Beide Interviewpartner sind sehr optimistisch, dass das Interesse am Wassersport und natürlich dem Bedarf an Neoprenanzügen in diesem Jahr sehr hoch sein wird. Es steht außer Frage, dass der weltweite stark angestiegene Bedarf mit der Kombination von Knappheit an Rohstoffen und Frachtwegen dazu führt, dass es Engpässe geben wird und das das Thema Preissteigerung in nicht unerheblichem Maße in unserer Branche einkehren wird. Vorbei sind die Zeiten, in denen weder der Lieferant noch der Händler wusste wohin mit der Ware. Die Veränderung des Produktzyklus auf 2 Jahre und der Wegfall des Closeouts, bei dem es immer möglich war Neoprenanzüge zwischen 30 und 40% Rabatt zu kaufen, führen nun zwangsläufig dazu, dass die schwarze Pelle deutlich teurer werden wird. Weniger Rabatte und die längere Aktualität von Neoprenanzügen sorgen aber auch für eine Nachhaltigkeit und natürlich auch dafür, dass es dem Handel nach den langen Lockdowns gelingen könnte sich wirtschaftlich wieder zu erholen. Die Pandemie hinterlässt ihre Spuren, auch beim Neopren.